»Nichts kann zum Verständnis von Musik mehr beitragen, als sich hinzusetzen und selbst Musik zu machen.«
(Leonard Bernstein, *1918)
Kluge Worte eines klugen Mannes, welcher selbst fast so alt geworden wäre, wie das städtische Blasorchester Backnang im Jahr 2019. Und genau diesen Gedanken Leonard Bernsteins leben die Musikerinnen und Musiker des »SBO« als Selbstverständlichkeit seit mittlerweile 100 Jahren in Backnang und begründen damit den langjährigen Erhalt dieses ganz besonderen Blasorchesters.
Dirigent des städtischen Blasorchesters sein zu dürfen empfinde ich persönlich jede Woche von Neuem als Privileg – sowohl musikalisch als auch menschlich. Der Orchesteralltag ist geprägt vom freundschaftlichen Miteinander, großer Empathie und dem unbändigen Willen Töne in Form von Musik zu produzieren, und dies auch bei zahlreichen Konzerten rund um Backnang zu präsentieren.
Dabei trägt die Stadt Backnang einen wesentlichen Teil dazu bei, nämlich die Ermöglichung eines solchen Orchesters. Ohne diese Legitimation wäre ein Blasorchester dieser Klasse nicht möglich. Deshalb soll hier dem gesamten Team der Stadtverwaltung Backnang ein besonderer Dank ausgesprochen werden.
Christian Wolf
Dirigent des Städtischen Blasorchesters Backnang seit 2015
Wenn Sie mehr über das Städtische Blasorchester erfahren wollen lesen Sie weiter über unsere Geschichte, Konzerte, Reisen, Veranstaltungen und über die befreundeten Orchestern aus den Partnerstädten Backnangs oder Sie laden sich unsere Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum herunter, dort steht alles und noch mehr in Druckform
Festschrift_100_Jahre_SBO
Gerne können Sie auch einfach mal bei einer Orchesterprobe oder bei unseren Konzerten vorbei schauen oder schreiben Sie uns eine Nachricht an    info(a)blasorchester-backnang.de
Wir proben jeden Dienstag um 20.00 Uhr im Vereinshaus, Eduard-Breuninger-Str. 13.
Über Interesse und neue Musiker freuen wir uns immer.
 

Geschichte des Städtischen Blasorchesters Backnang

von Lisa Bös
Backnanger Turmbläser auf dem Friedhof (Aufnahme 1912)
Stadtkapelle mit Dirigent Ernst Steiner in ihrem Gründungsjahr 1919
Natürlich wurde in Backnang schon vor 1919 Musik gemacht. Vor allem der Stadtmusiker und Turmbläser Hermann Zink, der bis ins Jahr 1924 beruflich tätig war, bildete immer wieder junge Männer an Blasinstrumenten aus. Letztendlich war es dann Ernst Steiner, der Schwiegersohn von Hermann Zink, der mehrere Musikbegeisterte um sich scharte. Im Backnanger Stadtarchiv finden sich Aufzeichnungen Steiners – verfasst zum zehnjährigen Jubiläum, in denen er ausführlich über seine Arbeit und die Zusammensetzung der Kapelle schreibt.
Zur Feier des zehnjährigen Jubiläums der Stadtkapelle fand ein Festkonzert im Saal des Backnanger Bahnhofhotels statt. Dirigent Steiner wurde ein »Zeichen der Anerkennung […] in Form eines riesigen Lorbeerkranzes« vom Bürgermeister überreicht. Im Gegenzug durfte dieser Steiners neuste Komposition taufen. Das Stück erhielt den Namen »Murrtal-Klänge« und musste im Verlauf des Abends zweimal gespielt werden.
In einem Zeitungsbericht vom 10. März 1934 heißt es: »Die Stadtkapelle ist seit letzten Freitag SA Standartenkapelle 627.« Sie blieb jedoch auch Repräsentativkapelle für die Stadt aber trat nun vor allem bei Veranstaltungen der Partei auf, zum Beispiel zum Wecken am 1. Mai oder 1937 bei einem Empfang im Bahnhofhotel anlässlich des Geburtstags Adolf Hitlers.
1939 wurde Dirigent Steiner eingezogen. Die Leitung der Kapelle übernahm nun Hans Tittel, bis dahin Dirigent der Werkskapelle der Firma Adolff. Steiner kehrte nach einiger Zeit nach Backnang zurück, starb jedoch bereits am 18. September 1942, nachdem er noch am Abend zuvor die Kapelle bei einem Auftritt geleitet hatte.
Die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich während des Krieges als sehr schwierig. Vorerst lief die Probearbeit ohne Dirigent weiter. Im Jahr 1947 schrieben die Musiker einen Brief an die Militärregierung mit der Bitte um Wiederaufbau der Kapelle. Schon einen Tag später folgte die offizielle Genehmigung. Nun trat der neue Kapellmeister Albert Tittel sein Amt an. Unter ihm sollte die Stadtkapelle zu einem der erfolgreichsten Orchester in der Umgebung werden. Das Festkonzert anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Stadtkapelle fand im März 1950 statt. Wieder wurde ein Festkonzert im Bahnhofhotel veranstaltet. Der damalige Oberbürgermeister, Walter Baumgärtner, erwähnte in seiner Festrede die Wichtigkeit der Kapelle als »kultureller Träger der Stadt«. Zum ersten Mal trat auch die Jugendklasse in der Öffentlichkeit auf.
Jubiläumsfeier in Bietigheim im Jahr 1952
Am 23. April 1957 feierte Dirigent Tittel seinen 60. Geburtstag. Aus diesem Anlass hatte der Vorstand der Stadtkapelle einige Tage vorher einen Brief an den Oberbürgermeister geschickt. Darin heißt es, viele andere Dirigenten der Kapellen im Umkreis, hätten den Titel des Stadtkapellmeisters inne. Tittel sei wohl etwas verärgert, dass ihm diese Ehre noch nicht zuteil wurde. Es sei nur durch eine Verfügung der Stadtverwaltung möglich, diesen Titel führen zu dürfen. Die Musiker baten darum »Herrn Tittel zu seinem 60. Geburtstag zum Stadtkapellmeister [zu] ernennen.« Neben diesem Ehrentitel erhielt der Dirigent auch die goldene Ehrennadel des Bundes süddeutscher Volksmusiker.
Stadtkapelle mit neuen Uniformen (Aufnahme von 1957)
1959 wurde die Kapelle vom Deutschen Volksmusikerbund eingeladen, bei einer Veranstaltung in Münchingen unter dem Titel »Komponisten dirigieren ihre Werke« teilzunehmen. Hier wurden die folgenden Kompositionen Tittels aufgeführt: ein »Festruf«, die »Singspiel-Ouvertüre«, die später ein gerne ausgewähltes Stück bei Wertungsspielen war und die »Miniaturen-Ouvertüre«, eine Konzertstudie in der Tittel die Töne der Backnanger Kirchenglocken verarbeitet hatte. Dabei muss es sich um ein beeindruckendes Werk gehandelt haben, das heute aber leider als verloren gegangen gilt. Im Jahr 1961 musste Albert Tittel die Leitung der Kapelle aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Ab 1. Juni 1961 übernahm sein Nachfolger Musikdirektor Horst Tietzel aus Murrhardt den Posten des Stadtkapellmeisters. Albert Tittel wurde aufgrund seiner hervorragenden Tätigkeit vom Gemeinderat einstimmig zum Ehrenkapellmeister ernannt. Er starb am 15. Oktober 1963.
Tietzel führte die Reisen ins Ausland genauso fort wie sein Vorgänger. Im Sommer 1962 reiste die Stadtkapelle ins elsässische Sélestat. Sie hatte die Ehre einen großen Festzug anzuführen. Dass ein deutscher Verein einen französischen Festzug anführte war wenige Jahre zuvor noch undenkbar gewesen, genauso wie der gemeinsame Auftritt der beiden Orchester. Der Höhepunkt der folgenden Jahre war wohl das Bezirksmusikfest 1964, das in Backnang stattfand. Es wurde mit einem Festkonzert eröffnet. 31 Kapellen marschierten in Richtung Marktplatz, wo sie sich zu einem einzigen großen Orchester vereinten. Die Backnanger Kreiszeitung schrieb darüber: »Es war ein erhebender Augenblick, als der Bezirksdirigent, Musikdirektor Horst Tietzel, den Taktstock erhob und etwa 1500 Musiker gleichzeitig mit ihrem Spiel einsetzten.« Die Stadtkapelle hatte sich wieder einmal als würdiger Repräsentant der Stadt erwiesen.
Stadtkapelle mit dem neuen Dirigenten Fritz Neher und den ersten beiden Musikerinnen (Aufnahme von 1965)
Erstes Jahreskonzert in der Stadthalle im Jahr 1981
Dass das Publikum hier die noch etwas ungewohnte sinfonische Blasmusik zu hören bekam, lobte die Backnanger Kreiszeitung mit den Worten: »Den Mut, weitgehend auf musikalische Hausmannskost zu verzichten und mit konzertanter Blasmusik die Zuhörer zu überraschen, hat sich gelohnt. Gerade solche Überraschungen zeichnen dieses Orchester aus und heben es höchst positiv aus der Masse der übrigen Blasorchester hervor.«
Tietzels Nachfolger Fritz Neher wurde 1965 nach einem Probedirigat sowohl vom Ausschuss der Stadtkapelle als auch dem Backnanger Gemeinderat einstimmig zum neuen Dirigenten gewählt.
Mit ihm hatte die Kapelle einen Dirigenten gefunden, der sie in den kommenden Jahrzehnten zu einem der führenden Höchststufenorchester des Rems-Murr-Kreises machen sollte. Neher wollte von Anfang an etwas Besonderes aus der Kapelle machen und vor allem zeigen, dass Blaskapellen auch anspruchsvolle Musik machen könnten und nicht »nur Humbatäterä«, wie es Alt-OB Dietrich einmal formulierte. Um diese Änderung auch nach außen hin deutlich zu machen, beantragte Neher eine Namensänderung.
Im Jahr 1969 verlas Oberbürgermeister Dietrich einen Gemeinderatsbeschluss, kraft dessen die Stadtkapelle zum »Städtischen Blasorchester Backnang« ernannt wurde: »Die Stadt Backnang verleiht der Stadtkapelle Backnang unter ihrem Vorstand Wilhelm Wetzel und ihrem Dirigenten Fritz Neher in Anerkennung der Verdienste um die deutsche Volksmusik und in Würdigung der Erfolge den Namen »Städtisches Blasorchester Backnang.«
Mit der Umbenennung schien sich auch im Jahresablauf des Orchesters einiges zu ändern. Auffällig ist vor allem, dass nun nicht mehr an Umzügen oder Vereinsfesten teilgenommen wurde. Mit der Einführung des Backnanger Straßenfests im Jahr 1971 wurde das bis dahin übliche Sommerfest der Stadtkapelle abgeschafft. Musikalisch begann man neue Wege zu gehen und konzentrierte sich von nun an eher auf die sinfonische Blasmusik.
Im Jahr 1973 wurde erstmals eine Schallplatte aufgenommen.
1987 feierte die Stadt Backnang ihr 750jähriges Bestehen. Neben verschiedenen Konzerten gab es auch einen großen Festumzug durch die Stadt, bei dem alle ortsansässigen Vereine mitmarschierten.
Im März 1988 konnte das Orchester sein erstes Jahreskonzert im neu eröffneten Bürgerhaus veranstalten.
Das folgende Jahrzehnt stand ganz im Zeichen des internationalen Engagements des Blasorchesters. Im Jahr 1992 nahm das Orchester erstmals Kontakt zum Caprice Wind Orchestra der englischen Partnerstadt Chelmsford auf. Schon ein Jahr danach folgte der Gegenbesuch der Chelmsforder in Backnang, bei dem man ein gemeinsames Konzert veranstaltete. Bereits im Oktober 1995 waren die Backnanger wieder in England zu Besuch.
Auch die Kontakte zum französischen Orchester »Ensemble Harmonique d’Annonay« wurden gepflegt. Im Jahr 1997 konnten beide Orchester die 30jährige Orchesterpartnerschaft feiern, die ein Jahr nach der offiziellen Städtepartnerschaft in die Wege geleitet worden war. Dazu waren die Annonayer Musiker über das Straßenfest zu Gast, ein Ballonstart wurde genauso musikalisch umrahmt wie der Festakt anlässlich der Europafeier.
Im Herbst 1996 wurde eine CD aufgenommen, bevor der altgediente Dirigent Fritz Neher nach 32jähriger Tätigkeit in den Ruhestand ging und den Dirigentenstab beim Jahreskonzert 1997 an seinen Sohn Günther Neher übergeben konnte, der zuvor von den Musikern und der Stadtverwaltung als neuer Dirigent gewählt worden war.
Das neue Jahrtausend begann mit einer Reise nach Annonay im Juni 2000. Dort fand ein gemeinsames Konzert der drei Orchester Annonay, Backnang und Chelmsford statt. Bei der großen Partnerschaftsfeier gab es auch eine historische Veranstaltung, bei der der erste Start eines Heißluftballons rekonstruiert wurde.
Einen besonders wichtigen Auftritt hatte das Blasorchester als Repräsentativ-Orchester der Stadt im Juni 2006. Gerade einmal einen Tag nachdem die Musiker von einer Konzertreise aus Frankreich zurückgekommen waren, kam der damalige Bundespräsident Horst Köhler nach Backnang, wo er eine kurze Zeit seiner Kindheit verbracht hatte. Den offiziellen Empfang der Stadtverwaltung vor dem Rathaus umrahmte das Städtische Blasorchester musikalisch.
Auf dem Weg zum 100jährigen Jubiläum endete wieder einmal eine Ära. Günther Neher übergab den Taktstock nach dem Jahreskonzert 2015 an Christian Wolf, der die gewohnt erfolgreiche und hochklassige Arbeit des Hochststufenorchesters seither mit neuem Schwung weiterführt.

Fritz Neher – nach Beendigung seines Dirigats zum Ehrendirigenten des Blasorchesters ernannt – verstarb im Jahr 2016.
Sehr erfolgreich wurde in den vergangenen Jahren das Serenadenkonzert auf dem neu gestalteten Stiftshof eingeführt. Alljährlich bildet dieses Konzert den Abschluss des Orchesterjahres vor der Sommerpause und erfreut sich beim Publikum großer Beliebtheit.
Das Jubiläumsjahr 2019 wurde wie üblich mit einem ganz besonderen Jahreskonzert im Frühjahr begangen. Im Herbst fand dann ein großes Jubiläumstreffen mit den Kapellen aus den Partnerstädten Annonay und Chelmsford in Backnang statt.